Dienstag, 5. Februar 2013

abgenutzte worte: ganzheitlich.

Ich habe ein Problem. Mit einem Wort, das immer, dauernd und überall in jedem erdenklichen und unmöglichen Zusammenhang auftaucht: ganzheitlich. Grundsätzlich ist es ein harmloses Adjektiv mit der Aussage, dass alles in seiner Ganzheit betrachtet, fächerübergreifend und in einem größeren Zusammenhang dargestellt wird. 

Scheint nicht selbstverständlich zu sein, denn es gibt ganzheitliche Medizin, wobei ich immer hoffe, ein Mediziner betrachtet meine gesamte Ganzheit und nicht nur einzelne Bereiche. Ganzheitliche Psychologie und Pädagogik gibt es ebenso wie ganzheitliches Tantra, Ayurveda, Tao und sonstiges esoterisches Brimborium. Begebe ich mich auf die Suche, finde ich ganzheitliches Leben, Lernen, Denken, Handeln, Arbeiten, Tun, Lassen und heute habe ich auch noch ganzheitliches Texten gefunden. 

Was will man mir damit sagen oder verkaufen? Ich texte über alle Barrieren? Hinfort mit Regeln und Inhalten? Ich begebe mich in den Lotossitz und warte auf die Eingebung, die mich fächerübergreifend ergreift und den größeren Zusammenhang zwischen Grammatik und Orthografie über mich kommen lässt? Ich kenne den Unterschied zwischen Verben und Adjektiven?

Ich neige zu Unsinn, Kreativität und Abwechslung, also habe ich beschlossen, dass ich nun einen ganz neuen Trend erschaffe: Ich texte nämlich ab sofort holistisch. Ich konzipiere holistisch und bin seit heute die Erfinderin der holistischen Kommunikation und the next big thing ist außerdem holistisches Social Media-Gedöns.

Ist eigentlich nichts anderes als ganzheitlich, klingt aber reichlich exotisch und vielversprechend auch noch. Im Gegensatz zu ganzheitlich ist holistisch eine ganz und gar neue Masche, beschert mir sicherlich traumhafte Umsätze, ist nicht wegen zu häufiger Verwendung völlig abgenutzt und mein alleiniges Alleinstellungsmerkmal par excellence. 

Außerdem weiß doch kaum jemand, was Holismus ist und niemand kommt auf die Idee, dass ich vielleicht genau das Gegenteil machen könnte - nämlich reduktionistisch texten. Oder doch ganzheitlich? Man weiß es nicht ganz genau, will man auch nicht, ist doch auch egal: Es lebe das holistische Texten. Nennt mich bitte textende Holistin. Oder so.